In Kürze

In frühen Planungsphasen von Freiräumen werden die Weichen für eine erfolgreiche Biodiversitätsförderung gestellt.

Zentrales Element der Freiraumgestaltung ist es, ökologische, räumlich-ästhetische und soziale Aspekte zu berücksichtigen und dabei gleichzeitig ökonomische und technische Qualitäten sowie Prozessqualitäten zu beachten [1]. Diese breiten Anforderungen gilt es systematisch zu analysieren, zu erfassen und transparent zu kommunizieren, um darauf aufbauend Planungen zu entwickeln.

Im Rahmen des Planungsprozesses entstehen zwangsläufig Zielkonflikte. Die Planung, Gestaltung und Pflege von naturnahen Freiräumen bedeutet deshalb immer auch ein Abwägen unterschiedlicher Gesichtspunkte [1]. Der Entscheidungsweg sollte dabei für alle beteiligten Stellen durchschaubar und nachvollziehbar sein, weil früh im Prozess getroffene Entscheidungen weitreichende Folgen für die Zukunft und die Lebensdauer eines Grün- und Freiraums, insbesondere dessen ökologische und gestalterische Qualität, die Nutzungsmöglichkeiten und den langfristigen Unterhalt, haben.

Im Planungsprozess sollte zuerst geklärt werden, welcher Flächenanteil ökologisch wertvolle und naturnahe Lebensräume und Strukturen (z.B. im Sinne des ökologischen Ausgleichs) einnehmen können. In zahlreichen Gemeinden und Städten bestehen hierzu Auflagen. Im Rahmen der Umsetzung des ökologischen Ausgleichs wird dies noch wichtiger werden. In Folgeschritten sind die Massnahmen zur Biodiversitätsförderung in Gestaltungs- und Nutzungskonzepte zu integrieren.

Systematik

Der Planungs- und Umsetzungsprozess umfasst den gesamten Lebenszyklus eines Bauwerks – von der ersten Idee der Auftraggebenden, über die Planung und Realisierung bis zur langfristigen Pflege und dem Rückbau. Der Prozess wird von verschiedenen Akteuren beeinflusst [2]. Auch die Projektierung und Realisierung von Freiräumen folgt diesem Schema.

Grössere Projekte

Kleinere Projekte

Ausgangslage

Unabhängig von der Projektgrösse gibt es im Planungs- und Umsetzungsprozess von Neuanlagen oder bestehenden Freiraumprojekten viele Gemeinsamkeiten aber auch einige Unterschiede. Gemeinsam ist, dass sich stets Chancen und Möglichkeiten für die Förderung von Biodiversitätsförderung und naturnahen Freiraumqualitäten bieten.

Gegenüberstellung von Projekttypen und ihrem Einfluss auf Gebäude und/oder Freiräume

Die vorgeschlagenen Massnahmen zur Biodiversitätsförderung auf fokus-n berücksichtigen sowohl Neubauten als auch Bauwerke und Freiräume im Bestand.

Neubau

Umgestaltungen

Lebenszyklus

Der Lebenszyklus von Freiräumen kann als Kreislauf aus Planung, Realisierung, Pflege und Rückbau dargestellt werden. Alternativ zum Rückbau können Freiräume auch weiterentwickelt werden. Nach diesem Schema sind auch die Massnahmen in den Fachthemen und Profilen dieser WebApp aufgebaut.
Hinweise zur Weiterentwicklung werden an entsprechender Stelle gemacht.

Lebenszyklusphasen von Freiräumen

Wie bei Gebäuden ist es auch bei Freiräumen sinnvoll in Lebenszyklus-Phasen zu denken und die spezifischen Aufgaben der Grünraumentwicklung darin zu integrieren. Zwischen der Lebenszyklus-Betrachtung von Gebäuden und Freiräumen gibt es jedoch wesentliche Unterschiede.

Unterschied Gebäude und Freiraum

Besonderheit Grünraumpflege

Phasenaufbau SIA

Phase 1: Strategische Planung

Verankerung der Biodiversität als qualitative und quantitative Zielsetzung

Sicherstellung der personellen / fachlichen Verankerung durch Verpflichtung einer kompetenten Planungsperson von Beginn weg

Generelle Überlegungen zu Zielsetzungen verschiedener Akteure zur Biodiversitätsförderung und dazu, wie diese abgeholt werden könnten: Zielgruppenanalyse

Prüfung der Notwendigkeit eines Kommunikationskonzepts und von partizipativen Verfahren

Phasenbeschrieb

Massnahmen im Detail

Akteur:innen

Phase 2: Vorstudien

Berücksichtigung naturräumlicher, historischer und planerischer Kontext

Erhalt bestehender ökologisch wertvoller Lebensräume und Schaffung neuer Strukturen

Berücksichtigung von Ansprüchen einheimischer Wildtiere und Pflanzenarten

Erhalt und Schutz von gewachsenem Boden

Potenzial von partizipativen Prozessen nutzen

Frühzeitige Berücksichtigung einer fachgerechten naturnahen Pflege

Optimierung Lebenszykluskosten

Phasenbeschrieb

Massnahmen im Detail

Akteur:innen

Phase 3: Projektierung

Erhalt und Förderung zusammenhängender naturnaher Lebensräume

Standortgerechtete Pflanzenverwendung unter Berücksichtigung von klimatischen Veränderungen

Tier- und menschenfreundliche Beleuchtung

Ressourcenschonende Materialisierung, Nutzung von lokalen und nachhaltigen Materialien, Schliessung von lokalen Stoff- und Energiekreisläufen

Minimierung von versiegelten Oberflächen und Schutz von gewachsenem Boden

Nutzung von Potenzialen von Gebäuden für Biodiversitätsförderung

Ausschöpfung der Synergien hinslichtlich Biodiversität, Siedlungsklima, Regenwassermanagement sowie gestalterischer und Nutzungsqualität

Erstellung detailierter Umgebungsplan

Phasenbeschrieb

Massnahmen im Detail

Akteur:innen

Phase 4: Ausschreibung

Interdisziplinäre Zusammenarbeit (Landschftsachitektur, Gartenbau, Grünraumpflege, Natur-, Ingenieur- und Sozialwissenschaften) fördern

Offerten nach Kriterien zur Biodiversitätsförderung beurteilen

Verbindliche Definition der Biodiversitätsziele in den Pflichtenheften für und Werkverträgen mit allen Auftragnehmer:innen

Phasenbeschrieb

Massnahmen im Detail

Akteur:innen

Phase 5: Realisierung

Schonung von ökologisch wertvollen Lebensräumen, Strukturen und Pflanzen

Umweltbaubegleitung des Bauvorhabens

Einhaltung von Richtlinen zum Bodenschutz

Umweltschonender und energieeffizienter Transport und Maschineneinsatz

Beschaffung von Saat- und Pflanzgut bei lokalen Produzenten, fachgereche Kontrolle und Zwischenlagerung von Pflanz- und Saatgut

Fachgerechte Pflanzung und Aussaat

Bewässerung nur dort, wo nötig: bedarfsgerecht und wassersparend

Fachgerechte naturnahe Fertigstellungs- und Entwicklungspflege

Phasenbeschrieb

Massnahmen im Detail

Akteur:innen

Phase 6: Bewirtschaftung

Erhalt bestehender ökologisch wertvoller Lebensräume und Schaffung neuer Strukturen

Förderung zusammenhängender naturnaher Lebensräume und alter Strukturen

Abstimmungen der Pflege auf die Standortbedingungen

Fachgerechte Baumpflege

Frühzeitige Anlage von Ersatzstrukturen

Spontanvegetation zulassen und fördern

Fachgerechte Bekämpfung invasiver gebietsfremder Pflanzen

Bio-konforme Düngung und Pflanzenschutz, aktive Nützlingsförderung

Verzicht auf Pestizideinsatz

Bodenschonender Unterhalt: Förderung gewachsener Bodenstruktur und -organismen, Vermeidung Bodenverdichtung, kein Bodenauftrag, Verzicht auf Torf

Laub nur dort entfernen, wo nötig

Möglichst geringer Ressourcenverbrauch, Bevorzugung von lokalen und nachhaltigen Materialien

Schliessung von lokalen Stoff- und Energiekreisläufen

Tier- und ressourcenschonender Maschineneinsatz

Bewässerung nur dort, wo nötig: bedarfsgerecht und wassersparend

Langfristige Gewährleistung einer fachgerechten naturnahen Pflege; Sicherung von Kompetenzen und Ressourcen

Phasenbeschrieb

Massnahmen im Detail

Die Massnahmen im Detail finden sich unter Naturnahe Pflege

Akteur:innen

Quellen

1

Niesel, A. (2017). Nachhaltigkeitsmanagement im Landschaftsbau. Ulmer. elibrary.utb.de

2

Ehrenbold, N., Haertsch, C., Heide, I., Menz, S., Özdil, E., Paulus, A., Reichel, H., & Zürcher, M. (2022). MAP – Methodische Anwendung zum Planungs- und Bauprozess [Professur für Architektur und Bauprozess ETH Zürich]. MAP – Methodische Anwendung zum Planungs- und Bauprozess. map.arch.ethz.ch

3

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Küffer, C., Joshi, J., Wartenweiler, M., Schellenberger, S., Schirmer-Abegg, M., & Bichsel, M. (2020). Konzeptstudie—Bausteine für die Integration von Biodiversität in Musterbaureglemente. HSR Hochschule für Technik Rapperswil, ILF Institut für Landschaft und Freiraum.

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