In Kürze
Pflanzen bilden die zentrale Struktur für qualitativ hochwertige und vielfältige Grünräume im urbanen Raum. Ihre Bedeutung für die Biodiversität, das Stadtklima, das menschliche Wohlbefinden und weitere Ökosystemdienstleistungen ist unbestritten. Dennoch wird der weitläufigen Thematik der Pflanzenverwendung im Planungs- und Bauprozess von Grünräumen oftmals zu wenig Bedeutung beigemessen, entsprechende Potenziale bleiben ungenutzt.
Zu einer guten Pflanzplanung gehört das strategische Denken in Vegetationssystemen und das Miteinbeziehen von Wasser- und Stoffkreisläufen. Bepflanzungen sollen über den gesamten Lebenszyklus ihre Funktionen erfüllen und das gewünschte Zielbild erhalten können. Dazu ist eine standortgerechte Pflanzenauswahl zentral; im Kontext der Biodiversitätsförderung und naturnahen Gestaltung auch die vorrangige Verwendung von einheimischen Pflanzenarten. Aber auch Sukzessionsprozesse der Vegetationsstrukturen können eingeplant und gezielt gefördert werden. Ebenso wie ein fachlich korrekter Unterhalt, welcher von Beginn weg mitberücksichtigt und gesichert werden soll.
Faktenblatt
Das Wichtigste ist in diesem Faktenblatt zusammengesellt.
Prinzipien
Auf eine breite Auswahl einheimischer Arten zu setzen, ist aus ökologischer Sicht besonders wichtig, da diese den höchsten Wert für die Biodiversitätsförderung aufweisen und Lebensgrundlage und Nahrungsquelle für zahlreiche Tiergruppen darstellen [1]. Jede heimische Pflanzenart wird von einer oder mehreren Tierarten als Nahrungsquelle oder Lebensraum genutzt und ist Teil eines Systems von ökologischen Wechselbeziehungen [2]. Die Pflanzplanung soll aber auch vorhandene Biotope gezielt integrieren und kann einen wichtigen Beitrag zur Ökologischen Vernetzung und zur Schaffung von Trittsteinbiotopen leisten [3]. Dies hat auch einen wichtigen Einfluss auf die Förderung der genetischen Vielfalt der Arten im Siedlungsgebiet – indem sie den Austausch zwischen verschiedenen Populationen gewährleitet. Gerade im urbanen Raum besteht bei der Artenförderung viel ungenutztes Potenzial – heute beschränkt sich die Auswahl der geförderten Arten im Siedlungsraum oft auf wenige, häufig verwendete Pflanzen. Eine Berücksichtigung von national prioritären Arten und Lebensräume ist daher auch hier möglich und sinnvoll [1].
Anteile einheimischer Arten
Je nach Grünraum und Profil soll ein gutes Gleichgewicht aus für die Biodiversität besonders wertvollen, einheimischen Arten und aus funktionalen Gründen gewählten Kultur-Arten gefunden werden. Die zukunftsgerichtete Klimaverträglichkeit und Standortangepasstheit gilt es bei allen ausgewählten Arten zu beachten.
Ein klar definiertes Verhältnis von einheimischen zu nicht einheimischen Arten lässt sich nicht starr festlegen. Je höher der Anteil an einheimischen und regionaltypischen Arten, desto wertvoller sind die Pflanzen für die Förderung der Biodiversität. Auf den ganzen Grünraum eines Projektes und über alle Vegetationsschichten betrachtet, werden als Richtwert maximal 20 % funktionale, nicht einheimische und mindestens 80 % einheimische und standortgerechte Arten empfohlen – gewichtet nach Einzelpflanzen. Dabei handelt es sich um einen Erfahrungswert, der in diversen Projekten Anwendung findet (Zürich, Bern, Luzern sowie diverse Projekte des BBL [4][5]). Auch der Standard Nachhaltiges Bauen SNBS deklariert für naturnahe Flächen diesen Mindestanteil einheimischer Arten [6]. In Städten und Gemeinden mit eigenen Anforderungen gelten diese.
Je nach Standort und Art der Begrünung kann und soll von diesem Wert abgewichen werden. So wird der Anteil an nicht heimischen Arten bei Bäumen im Strassenraum oder an weiteren Extremstandorten sowie bei Pflanzungen mit hohem repräsentativem Charakter geringer ausfallen. Bei Profilen wie der Ruderalvegetation, Hochstaudenflur, Wildhecke oder Blumenwiese sollte der Anteil einheimischer Arten hingegen höher sein, idealerweise 100 % betragen. Auf die Verwendung invasiver Arten oder solcher mit entsprechendem Potenzial ist in jedem Fall zu verzichten. Genaue Angaben zum Anteil einheimischer und standortgerechter Arten finden sich direkt in den Profilen.
Besonderheiten im Siedlungsgebiet
Definition «Einheimische» Pflanzen
Planung
Relevante Vorgaben berücksichtigen
Einheimische Pflanzen verwenden und hohe Vielfalt anstreben
Klimatische Bedingungen und Veränderungen bei Pflanzauswahl berücksichtigen
Die für den Standort und das Zielbild ideale Begrünungsmethode festlegen
Langfristige Entwicklung und Pflege in Pflanzplanung berücksichtigen
Keine invasiven Pflanzen verwenden
Massnahmen im Detail
Realisierung
Saat- und Pflanzgut von lokalen Quellen beziehen
Standort vor der Begrünung optimal auf Pflanzen vorbereiten
Umweltschonende Maschinen, Geräte und Hilfsmittel einsetzen
Pflanzenschutz und Qualitätskontrolle im Rahmen der Lieferung gewährleisten
Pflanzung und Ansaat berücksichtigt die Ansprüche der gewählten Arten
Massnahmen im Detail
Pflege
Pflege richtet sich differenziert nach den gesetzten Pflegezielen und wird bei Bedarf dynamisch an sich verändernde Bedingungen angepasst
Problempflanzen selektiv und konsequent entfernen
Auf konventionelle Pflanzenschutzmittel verzichten
Auf Dünger verzichten oder nur bedarfsgerecht organische Düngemittel einsetzen
Massnahmen im Detail
Rückbau
Wertvolle Pflanzbestände bei Rückbaumassnahmen erhalten und sichern
Bestehende Gehölze während baulichen Tätigkeiten schützen und erhalten
Zwischenbegrünungen auf brachliegenden Flächen planen, zulassen und fördern
Massnahmen im Detail
Pflanzbestand sichern
Zwischenbegrünungen
Bestimmungen
Es existieren auf allen Ebenen (Bund, Kanton und Gemeinden) gesetzliche und planerische Vorgaben zur Pflanzenverwendung und dem generellen Umgang mit Pflanzen.
Nachfolgend sind die wichtigsten Grundlagen aufgeführt (nicht abschliessend).
Ebene Bund
Ebene Kantone und Gemeinden
Normen und Labels
Quellen
Küffer, C., Joshi, J., Wartenweiler, M., Schellenberger, S., Schirmer-Abegg, M., & Bichsel, M. (2020). Konzeptstudie—Bausteine für die Integration von Biodiversität in Musterbaureglemente. HSR Hochschule für Technik Rapperswil, ILF Institut für Landschaft und Freiraum.
Kumpfmüller, M., & Hloch, J. (2008). Wege zur Natur im Siedlungsraum—Grundlagenstudie. land-oberoesterreich.gv.at
Niesel, A. (2017). Nachhaltigkeitsmanagement im Landschaftsbau. Ulmer. elibrary.utb.de
Heinrich, A. (2018). Unterhalt naturnaher Lebensräume im Siedlungsraum: Heimische Stauden (S. 19). Weiterbildungszentrum Kanton Luzern.
Heinrich, A., & Messer, Dr. U. J. (2017). Staudenmischpflanzungen. Eugen Ulmer KG.
SNBS Hochbau. (2021). Standard Nachhaltiges Bauen Schweiz—2.1 Hochbau—Kriterienbeschrieb. Netzwerk Nachhaltiges Bauen Schweiz SNBS.
Info Flora. Listen der invasiven und potenziell invasiven Neophyten der Schweiz (2022). https://www.infoflora.ch/de/neophyten/listen-und-infoblätter.html
Bundesamt für Umwelt BAFU. (2019). Invasive gebietsfremde Arten. Strategie der Schweiz zu invasiven gebietsfremden Arten. Bundesamt für Umwelt BAFU. bafu.admin.ch
Lauber, K., Wagner, G., & Gygax, A. (2018). Flora Helvetica: Illustrierte Flora der Schweiz (6., vollständig überarbeitete Auflage). Haupt Verlag.
Böll, S. (2016). Strassenbäume im Zeichen des Klimawandels = Les arbres urbains sous le signe du changement climatique.
Bouillon, J. (Hrsg.). (2013). Handbuch der Staudenverwendung: Aus dem Arbeitskreis Pflanzenverwendung im Bund deutscher Staudengärtner Empfehlungen für Planung, Anlage und Management von Staudenpflanzungen. Eugen Ulmer KG.
info flora. (2021). Info flora Das nationale Daten- und Informationszentrum der Schweizer Flora. Info Flora. infoflora.ch
Bosshard, A., Mayer, P., & Mosimann, A. (2015). Leitfaden für naturgemässe Begrünung in der Schweiz. Mit besonderer Berücksichtigung der Biodiversität (S. 82). Ö+L Ökologie und Landschaft GmbH. infoflora.ch
World Health Organisation Regional Office for Europe. (2017). Urban green spaces: A brief for action. Urban Green Spaces: A Brief for Action. euro.who.int
Stadtgrün Bern. (2014). Handbuch Biodiversität Stadt Bern. Stadt Bern. bern.ch
Mascitti, A. L. (2020). Regio Flora. Regio Flora Förderung der regionalen Vielfalt im Grünland. regioflora.ch
Hochschule Anhalt, Abteilung Bernburg. (2017). Begrünungsmethoden. Informationssystem Naturnahe Begrünungsmassnahmen. spenderflaechenkataster.de
Delarze, R., Gonseth, Y., & Galland, P. (2008). Lebensräume der Schweiz: Ökologie, Gefährdung, Kennarten (2., vollst. überarb. Aufl.). Ott.
Hansen, R., & Stahl, F. (2016). Die Stauden und ihre Lebensbereiche (6. Auflage). Ulmer.
Roloff, A., Bärtels, A., & Schulz, B. (2014). Flora der Gehölze: Bestimmung, Eigenschaften und Verwendung (4., komplett aktualisierte und erweiterte Auflage). Eugen Ulmer KG.
Kühn, N. (2011). Neue Staudenverwendung. Eugen-Ulmer-Verlag.
Tschäppeler, S., & Haslinger, A. (2021). Natur braucht Stadt—Berner Praxishandbuch Biodiversität. Haupt Verlag.
Schweizerische Kommission für die Erhaltung von Wildpflanzen. (2009). Empfehlungen für den Anbau und die Verwendung von Pflanz- und Saatgut einheimischer Wildpflanzen (S. 14). Sekretariat SKEW. infoflora.ch
LWG. (2012). Projekt Stadtgrün 2021. Selektion, Anzucht und Verwendung von Gehölzen unter sich ändernden klimatischen Bedingungen. (S. 37 Seiten) [Abschlussbericht zum Forschungsvorhaben KL/08/02]. Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau. lwg.bayern.de
Heinrich, A., Derman-Baumgartner, C., & de Roos, A. (2021). Florale Biodiversitätsförderung auf Grünflächen des Bundes 2016–2020. ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften.
Tschander, B. (2014). Konzept Arten- und Lebensraumförderung. stadt-zuerich.ch
Frenzl, J., Kircher, W., Schmidt, C., & Schönfeld, P. (2017). Staudenmischpflanzungen (Broschüre 2. Auflage; S. 148 Seiten). Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung. bmel-statistik.de
Naturmodule. (2015). Wildkräuterbeet (Naturmodule Nr. 2, S. 3 Seiten) [Praxismerkblatt]. Naturmodule; Jardin Suisse. naturmodule.ch
Fleischhauer, S. G., Guthmann, J., Spiegelberger, R., Uslu, H., & Fleischhauer, T. (2018). Essbare Wildpflanzen: 200 Arten bestimmen und verwenden (20. Auflage). AT Verlag.
Heinrich, A. (2012). Nützliches Werkzeug der Pflanzenverwendung: Die Ereignistabelle. g’plus, 2010(24), 31–33.
Nassauer, J. I. (1995). Messy Ecosystems, Orderly Frames. Landscape Journal, 14(2), 161–170. doi.org
Brack, F., Hagenbuch, R., Wildhaber, T., Henle, C., & Sadlo, F. (2019). Mehr als Grün! – Praxismodule Naturnahe Pflege: Praxishandbuch (Grün Stadt Zürich, Hrsg.). ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, Forschungsgruppe Freiraummanagement (unveröffentlicht).
Kirmer, A., Krautzer, B., Scotton, M., & Tischew, S. (2012). Praxishandbuch zur Samengewinnung und Renaturierung von artenreichem Grünland.
Jardin Suisse (Hrsg.). (2018). Qualitätsbestimmungen für Baumschulpflanzen und Stauden. Jardin Suisse.
Bouillon, J. (2010). Stauden—Erkennen Sie Qualität. Bund deutscher Staudengärtner.
Bund deutscher Baumschulen e.V. (2018). Qualität von Bäumen. gruen-ist-leben.de
Bund deutscher Baumschulen e.V. (2018). Qualität von Containerpflanzen. gruen-ist-leben.de
Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e. V. (FLL). (2004). Gütebestimmungen für Baumschulfplanzen. FLL.
Bächtiger, J.-B. (2002). Pflanzenverwendung in der urbanen Landschaft: Pflanzplanung und -konzepte : Farben, Formen und Strukturen : Verwendung von Stauden, Gehölzen und Wechselflor. HSW Hochschule Wädenswil.
Berliner Gartenamtsleiterkonferenz. (2011). Berliner Standards für die Pflanzung und die anschliessende Pflege von Strassenbäumen. GALK Berlin.
Stadt Bern. (2018). Handbuch Planen und Bauen im öffentlichen Raum: Baumpflanzung. Stadt Bern.
Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e. V. (FLL). (2010). Empfehlungen für Baumpflanzungen – Teil 2: Standortvorbereitungen für Neupflanzungen; Pflanzgruben und Wurzelraumerweiterung, Bauweisen und Substrate (Broschüre 2 Ausgabe; Baumpflanzungen, S. 64 Seiten). FLL. shop.fll.de
Brack, F., Hagenbuch, R., Wildhaber, T., Henle, C., & Sadlo, F. (2019). Mehr als Grün! – Praxismodule Naturnahe Pflege: Profilkatalog (Grün Stadt Zürich, Hrsg.). ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, Forschungsgruppe Freiraummanagement (unveröffentlicht).
Baudirektion Kanton Zürich, Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft (Hrsg.). (2015). Praxishilfe invasive Neophyten.
Tamm, L., Speiser, B., Roggli, M., Bickel, R., Maurer, V., Schneider, C., & Chevillat, V. (2021). Betriebsmittelliste des FiBL für den biologischen Landbau, Ausgabe Schweiz (Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL), Hrsg.). fibl.org
Mäder, P., Fliessbach, A., Dubois, D., Gunst, L., Padruot, F., & Niggli, U. (2002). Soil Fertility and Biodiversity in Organic Farming. Science, 296(5573), 1694–1697. doi.org
Gigon, A., Langenauer, R., Meier, C., & Nievergelt, B. (2000). Blue Lists of Threatened Species with Stabilized or Increasing Abundance: A New Instrument for Conservation. Conservation Biology, 14(2), 402–413. doi.org
Gigon, A., Meier, C., & Langenauer, R. (1998). Blaue Listen der erfolgreich erhaltenen oder geförderten Tier- und Pflanzenarten der Roten Listen—Methodik und Anwendung in der nördlichen Schweiz. [Text/html,application/pdf]. Veröffentlichungen des Geobotanischen Institutes der Eidgenössischen Technischen Hochschule, Stiftung Rübel, in Zürich, 129: 1-137 + Anhänge 180 S. doi.org
Bio Suisse (Hrsg.). (2018). Richtlinien für die Erzeugung, Verarbeitung und den Handel von Knospe-Produkten—Fassung vom 1. Januar 2018. bio-suisse.ch
Brändli, U. (2020). Bio Suisse Richtlinien. 140.