In Kürze

Pflanzen bilden die zentrale Struktur für qualitativ hochwertige und vielfältige Grünräume im urbanen Raum. Ihre Bedeutung für die Biodiversität, das Stadtklima, das menschliche Wohlbefinden und weitere Ökosystemdienstleistungen ist unbestritten. Dennoch wird der weitläufigen Thematik der Pflanzenverwendung im Planungs- und Bauprozess von Grünräumen oftmals zu wenig Bedeutung beigemessen, entsprechende Potenziale bleiben ungenutzt.

Naturnah angelegter Freiraum in Zürich

Bildquelle: Daniela Kienzler


Trockenheitsresistente Gehölzunterpflanzung auf dem Turbinenplatz in Zürich

Schiffbaustrasse 13, 8005 Zürich

Bildquelle: Axel Heinrich


Ruderalvegetation in der Mehrfamilienhaussiedlung der Wohnbaugenossenschaft 1979 in Aarau

Hans-Hässig-Strasse, 5000 Aarau

Bildquelle: Lisa Kaufmann


Staudenbepflanzung bei einer Baugenossenschaft in Baden

Bildquelle: Stefanie Würsch


Zu einer guten Pflanzplanung gehört das strategische Denken in Vegetationssystemen und das Miteinbeziehen von Wasser- und Stoffkreisläufen. Bepflanzungen sollen über den gesamten Lebenszyklus ihre Funktionen erfüllen und das gewünschte Zielbild erhalten können. Dazu ist eine standortgerechte Pflanzenauswahl zentral; im Kontext der Biodiversitätsförderung und naturnahen Gestaltung auch die vorrangige Verwendung von einheimischen Pflanzenarten. Aber auch Sukzessionsprozesse der Vegetationsstrukturen können eingeplant und gezielt gefördert werden. Ebenso wie ein fachlich korrekter Unterhalt, welcher von Beginn weg mitberücksichtigt und gesichert werden soll.

Faktenblatt

Das Wichtigste ist in diesem Faktenblatt zusammengesellt.

Prinzipien

Auf eine breite Auswahl einheimischer Arten zu setzen, ist aus ökologischer Sicht besonders wichtig, da diese den höchsten Wert für die Biodiversitätsförderung aufweisen und Lebensgrundlage und Nahrungsquelle für zahlreiche Tiergruppen darstellen [1]. Jede heimische Pflanzenart wird von einer oder mehreren Tierarten als Nahrungsquelle oder Lebensraum genutzt und ist Teil eines Systems von ökologischen Wechselbeziehungen [2]. Die Pflanzplanung soll aber auch vorhandene Biotope gezielt integrieren und kann einen wichtigen Beitrag zur Ökologischen Vernetzung und zur Schaffung von Trittsteinbiotopen leisten [3]. Dies hat auch einen wichtigen Einfluss auf die Förderung der genetischen Vielfalt der Arten im Siedlungsgebiet – indem sie den Austausch zwischen verschiedenen Populationen gewährleitet. Gerade im urbanen Raum besteht bei der Artenförderung viel ungenutztes Potenzial – heute beschränkt sich die Auswahl der geförderten Arten im Siedlungsraum oft auf wenige, häufig verwendete Pflanzen. Eine Berücksichtigung von national prioritären Arten und Lebensräume ist daher auch hier möglich und sinnvoll [1].

Bepflanzungsaktion in Zusammenarbeit mit Schüler:innen beim Papierigleis in Cham

Bildquelle: Manuela Hotz


Pflanzaktion in Luzern

Bildquelle: Christian Riu Lohri


Pflanzaktion in Luzern

Bildquelle: Christian Riu Lohri


Anteile einheimischer Arten

Je nach Grünraum und Profil soll ein gutes Gleichgewicht aus für die Biodiversität besonders wertvollen, einheimischen Arten und aus funktionalen Gründen gewählten Kultur-Arten gefunden werden. Die zukunftsgerichtete Klimaverträglichkeit und Standortangepasstheit gilt es bei allen ausgewählten Arten zu beachten.

Ein klar definiertes Verhältnis von einheimischen zu nicht einheimischen Arten lässt sich nicht starr festlegen. Je höher der Anteil an einheimischen und regionaltypischen Arten, desto wertvoller sind die Pflanzen für die Förderung der Biodiversität. Auf den ganzen Grünraum eines Projektes und über alle Vegetationsschichten betrachtet, werden als Richtwert maximal 20 % funktionale, nicht einheimische und mindestens 80 % einheimische und standortgerechte Arten empfohlen – gewichtet nach Einzelpflanzen. Dabei handelt es sich um einen Erfahrungswert, der in diversen Projekten Anwendung findet (Zürich, Bern, Luzern sowie diverse Projekte des BBL [4][5]). Auch der Standard Nachhaltiges Bauen SNBS deklariert für naturnahe Flächen diesen Mindestanteil einheimischer Arten [6]. In Städten und Gemeinden mit eigenen Anforderungen gelten diese.

Je nach Standort und Art der Begrünung kann und soll von diesem Wert abgewichen werden. So wird der Anteil an nicht heimischen Arten bei Bäumen im Strassenraum oder an weiteren Extremstandorten sowie bei Pflanzungen mit hohem repräsentativem Charakter geringer ausfallen. Bei Profilen wie der Ruderalvegetation, Hochstaudenflur, Wildhecke oder Blumenwiese sollte der Anteil einheimischer Arten hingegen höher sein, idealerweise 100 % betragen. Auf die Verwendung invasiver Arten oder solcher mit entsprechendem Potenzial ist in jedem Fall zu verzichten. Genaue Angaben zum Anteil einheimischer und standortgerechter Arten finden sich direkt in den Profilen.

Besonderheiten im Siedlungsgebiet

Definition «Einheimische» Pflanzen

Planung

Relevante Vorgaben berücksichtigen

Einheimische Pflanzen verwenden und hohe Vielfalt anstreben

Klimatische Bedingungen und Veränderungen bei Pflanzauswahl berücksichtigen

Die für den Standort und das Zielbild ideale Begrünungsmethode festlegen

Langfristige Entwicklung und Pflege in Pflanzplanung berücksichtigen

Keine invasiven Pflanzen verwenden

Massnahmen im Detail

Realisierung

Saat- und Pflanzgut von lokalen Quellen beziehen

Standort vor der Begrünung optimal auf Pflanzen vorbereiten

Umweltschonende Maschinen, Geräte und Hilfsmittel einsetzen

Pflanzenschutz und Qualitätskontrolle im Rahmen der Lieferung gewährleisten

Pflanzung und Ansaat berücksichtigt die Ansprüche der gewählten Arten

Massnahmen im Detail

Pflege

Pflege richtet sich differenziert nach den gesetzten Pflegezielen und wird bei Bedarf dynamisch an sich verändernde Bedingungen angepasst

Problempflanzen selektiv und konsequent entfernen

Auf konventionelle Pflanzenschutzmittel verzichten

Auf Dünger verzichten oder nur bedarfsgerecht organische Düngemittel einsetzen

Massnahmen im Detail

Rückbau

Wertvolle Pflanzbestände bei Rückbaumassnahmen erhalten und sichern

Bestehende Gehölze während baulichen Tätigkeiten schützen und erhalten

Zwischenbegrünungen auf brachliegenden Flächen planen, zulassen und fördern

Massnahmen im Detail

Pflanzbestand sichern

Zwischenbegrünungen

Bestimmungen

Es existieren auf allen Ebenen (Bund, Kanton und Gemeinden) gesetzliche und planerische Vorgaben zur Pflanzenverwendung und dem generellen Umgang mit Pflanzen.

Nachfolgend sind die wichtigsten Grundlagen aufgeführt (nicht abschliessend).

Ebene Bund

Ebene Kantone und Gemeinden

Normen und Labels

Quellen

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3

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