In Kürze

Naturnahe Freiräume mit hoher Biodiversität wirken im Siedlungsgebiet Hitzeinseln und Hitzewellen entgegen und können Starkregeneffekte mildern.[1]

Dachbegrünungen tragen zur Hitzeminderung bei

Bildquelle: Daniela Kienzler


Integration von Wasserflächen im Sieldungsgebiet

Naturgarten Miescherheimet, 4852 Rothrist

Bildquelle: Stefanie Würsch


Naturnah gestaltetes Verkehrsbegleitgrün

Bildquelle: Stefanie Würsch


Natürliche Beschattung und vielfältiges Grün in Wohnaussenräumen

Leestrasse 31, 8132 Egg

Bildquelle: Stefanie Würsch


Mit dem Klimawandel werden Hitzeperioden häufiger, länger und heisser. Im Siedlungsgebiet ist die Hitzebelastung besonders gross, denn die vielen versiegelten Flächen absorbieren die Sonnenstrahlung und heizen die Umgebung auf. Dieser sogenannte Hitzeinseleffekt kann reduziert werden, indem Freiräume klimaangepasst gestaltet werden, z.B. mit unversiegelten Grünflächen, Schattenplätzen und kühlenden Wasserelementen. Zudem muss die Frischluftzufuhr und -zirkulation aus dem Umland gesichert sein.[2]

Die Niederschläge werden ebenfalls vom Klimawandel beeinflusst: Starkregenereignisse und langanhaltende Trockenheitsperioden finden öfters statt. Um dem entgegenzuwirken, ist ein nachhaltiges Regenwassermanagement nötig. Genauere Informationen finden sich im Fachthema Regenwassermanagement.

Klimawandel und Biodiversität

In den kommenden Jahrzehnten werden die Mitteltemperaturen in allen Schweizer Regionen ansteigen. Je nach Klimaszenario ist in der Schweiz bis Ende des 21. Jahrhunderts eine Erwärmung von 2.1 bis 3.4 °C zu erwarten.[3]

Infolge des Klimawandels ergeben sich ökologische und gesamtgesellschaftliche Herausforderungen: Grössere Hitzebelastung in Städten und Agglomerationen, zunehmende Sommertrockenheit, steigendes Hochwasserrisiko, steigende Schneefallgrenze, Beeinträchtigung der Wasser-, Boden- und Luftqualität sowie Ausbreitung von Schadorganismen, Krankheiten und invasiven gebietsfremden Arten.[4]

Der Klimawandel verändert aber auch Lebensräume und das Verhalten von Tier- und Pflanzenarten im Verlauf der Jahreszeiten und deren Wachstum, Produktivität und geografische Verbreitung. Er beschleunigt Veränderungen in der Artenzusammensetzung und das lokale Aussterben in allen Lebensräumen. Interaktionen zwischen Arten werden zum Teil unterbrochen, beispielsweise wenn die Aktivitäten von Bestäubern nicht mehr mit der Blütezeit zusammenfallen oder wenn Räuber ihre Beute zeitlich oder räumlich verpassen. Durch die klimatischen Veränderungen mitbeeinflusst, stellt die Zunahme an invasiven gebietsfremden Arten eine weitere Bedrohung für die einheimische Flora und Fauna dar.[5]

Die Ausführungen machen deutlich, dass die Klima- und Biodiversitätskrise zusammenhängen und sich gegenseitig verstärken. Der Klimawandel stellt – wie der Verlust der Biodiversität – eine Bedrohung für die Menschheit dar.

Lösungsstrategien

Wenn die beiden Krisen zusammenhängen, müssen sie auch gemeinsam angegangen werden. Hierfür spricht auch, dass Menschen bei einer hohen und stabileren Biodiversität besser mit den veränderten klimatischen Bedingungen der Zukunft zurechtkommen [6].

Grundsätzlich kann dem Klimawandel auf zwei Arten begegnet werden: Einerseits, indem die weitere Erwärmung und damit verbundene Auswirkungen vermieden, abschwächt oder vermindert werden (Mitigation); andererseits durch Anpassung an die Folgen des Klimawandels (Adaptation).

Mitigation

Lösungsstrategien zur Reduktion der Treibhausgasemissionen (z.B. Erhöhung Energieeffizienz, Förderung erneuerbarer Energien) oder zur Aufnahme von CO2 durch Senken (z.B. Aufforstungen, Begrünung von Siedlungsgebieten)

Adaption

Lösungsansätze zur Verringerung der Empfindlichkeit natürlicher und menschlicher Systeme gegenüber unvermeidbaren Auswirkungen des Klimawandels (z.B. Anpflanzen von trocken- und hitzeresistenteren Baumarten, Gebäudebegrünung)

Lösungsstrategien gegen den Klimawandel und zur Biodiversitätsförderung können sich gegenseitig unterstützen. So leistet die Siedlungsvegetation als CO2-Senke Beiträge an die Umsetzung von Mitigationsstrategien. Beim Klimaschutz im Siedlungsgebiet liegt der Hauptbeitrag von Freiräumen jedoch im Bereich der Adaption. Entsprechend wird hier auf Klimaanpassung im Kontext der Biodiversitätsförderung fokussiert.

Grundlagen

Zu den klimatischen und lufthygienischen Wirkungen von Freiräumen und Vegetation im Siedlungsgebiet gehören z.B. Temperaturabsenkung, Erhöhung der Luftfeuchtigkeit, Einflüsse auf die Luftzirkulation, die Filterung von Luftverunreinigungen und die damit verbundene Senkung von Schadstoffkonzentrationen [7]. Diese Leistungen wirken den Effekten des Klimawandels entgegen und schwächen seine negativen Folgen ab.

Faktor
Wirkung Vegetation

Lufttemperatur

Beschattung


Transpiration der Pflanzen


Reflektion von Sonnenergie


Kühlung

Luftfeuchte

Geringer Abfluss Regenwasser


Zunahme der Regenwasserversickerung


Zunahme Verdunstungsflächen


Zunahme Wasserdampfabgabe

Strahlung

Dämpfung Helligkeitsmaxima


Reflexion Sonnenlicht


schattenspendende Wirkung

Luftschadstoffe

Filterung von Schadstoffen aus der Luft


Förderung der Luftzirkulation

Wirkungen von Stadtvegetation auf ausgewählte ökologische Leistungen

(Quelle: verändert nach [8])

Die beschriebenen Wirkungen hängen von verschiedenen Parametern ab. Dabei sind das Grünvolumen, die Vegetationshöhen, der Versiegelungsgrad und die Art der Vegetationsbedeckung besonders entscheidend [7]. Allgemein gilt:

  • Mit Grün- und Freiräumen wird die städtische Resilienz gegenüber des Klimawandels erhöht. Durch die Förderung von grünen Freiräumen wird die Anpassung an den Klimawandel unterstützt [9]
  • Je grossflächiger dabei Grün- und Freiräume sind, desto grösser ist ihre klimatische und biodiverse Wirkung; doch auch mit kleinflächigen Freiräumen lassen sich Temperaturreduktionen erzielen [8] – und die Biodiversität fördern.
  • Je artenreicher ein Freiraum und eine Bepflanzung ist, desto resilienter ist das Ökosystem und kann dauerhaft seine klimatischen und lufthygienischen Wirkungen erbringen. Dabei kommt der Pflanzenverwendung und Artenwahl (insbesondere hinsichtich Baumarten im Strassenraum) eine besondere Rolle zu: Es gilt künftige Klimabedingungen bzw. hitze- und trockenheitsresistente Arten zuberücksichtigen.

Einfluss Tagesverlauf

Die klimatische Wirkung der Vegetation im Siedlungsgebiet ändert sich im Verlauf des Tages [8]:

Tag

Die Beschattung von Flächen führt tagsüber zu einer Hitzereduktion [10]. Bei hoher Einstrahlung sind Abschattungseffekte und gute Durchlüftung besonders relevant.

Nacht

In der Nacht sind offene Flächen mit hoher Abstrahlung wichtig, die durch ihre Abkühlung die Wirkung von versiegelten Flächen abschwächen [7]. Hierfür eignen sich offene, gehölzarme Vegetationsflächen besonders, da diese die Wärme stärker abstrahlen und damit Flächen und bodennahe Luftschichten abkühlen [11].

Ausgehend von diesen Wirkungen muss jeweils abgewogen werden, ob die tagsüber erzielbaren Abschattungs- oder die nächtlichen Abkühlungseffekteeine höhere Bedeutung haben. Eine Kombination von Gehölzbepflanzungen und offenen Flächen kann vielerorts sinnvoll sein, damit eine Reduktion der Sonneneinstrahlung und ein damit verbundened Aufheizen tagsüber verhindert und gleichzeitig die nächtliche Abkühlung durch die offenen Vegetationsflächen gefördert wird.

Umsetzung

Grünräume schaffen und naturnah gestalten

Aufenthalts-, Bewegungs- und Verkehrsräume beschatten

Wasser im Siedlungsraum etablieren

Fassaden klimaökologisch begrünen

Aufenthalts- und Bewegungsräume entsiegeln

Dächer klimaökologisch begrünen

Nachhaltiges Regenwassermanagement sicherstellen

Bei diesen Massnahmenvorschlägen handelt es sich um wirksame, naturbasierte Lösungen zur Klimaanpassung und Hitzeminderung im Siedlungsgebiet, welche gleichzeitig die Biodiversität fördern [12].

Die Visualisierungen illustrieren die Effekte auf das Siedlungsklima. Die Temperaturangaben zeigen, um wie viele Grad Celsius eine Massnahme die nähere Umgebung abkühlt; die Distanzangabe verdeutlicht den Wirkungsbereich [12]. Die Zahlenwerte basieren auf Modellierungen der Stadt Zürich.

Effekte von Aufwertungsmassnahmen auf die Hitzeminderung [12]

Die Umsetzung dieser Massnahmen wird im Planungsprozess und in den einzelnen Profilen konkretisiert.

Die Verantwortung zur Umsetzung der Klimaanpassung und Hitzeminderung liegt bei den Kantonen und Gemeinden. Die Einstiegshürden sind zurzeit jedoch noch hoch: Es fehlen Ressourcen (Finanzen, Fachkompetenzen); Entscheidungskompetenzen, Zuständigkeiten und das konkrete Vorgehen sind noch unklar. [2]

Da derzeit keine gesetzlichen Aufträge oder breit angelegten Förderprogramme bestehen, muss jede Gemeinde ihren eigenen Weg suchen. Die Publikation Hitze in Städten – Grundlagen für eine klimaangepasste Siedlungsentwicklung liefert hierzu Hilfestellungen und umschreibt dabei auch weiterführende, lokale Massnamen zur Entlastung des städtischen Hitzeinseleffekts.[2]

Weitere Planungs- und Umsetzungshilfen:

  • GREENPASS: Internationales Planungs-, Optimierungs und Zertifizierungsinstrument für klimaresiliente Stadtplanung und Architektur
  • ENVI-met: Tool für die Berechnung des Mikroklimas im Siedlungsgebiet

Kommunale Strategien und Konzepte

Die Fachplanung Hitzeminderung der Stadt Zürich hat die wichtigsten Handlungsfelder der Hitzeminderung identifiziert und entwickelt konkrete Handlungsansätze für die Stadt. Die drei Hauptziele sind die Überwärmung im gesamten Stadtgebiet zu vermeiden, vulnerable Stadtgebiete zu entlasten und das bestehende Kaltluftsystem zu erhalten. Die Fachplanung richtet sich an die Verwaltung als Gestalterin des öffentlichen Raums und an Planende und Bauende.[13]

Die Fachplanung bietet Akteuren eine Toolbox, um im jeweiligen Wirkungsbereich sowohl vorsorglich als auch unmittelbar zur Hitzeminderung beizutragen.

Damit existiert für die Stadt Zürich erstmalig eine umfassende Planungsgrundlage inklusive einer Umsetzungsagenda für den Umgang mit der Wärmebelastung, die sich infolge des Klimawandels mit zunehmenden Hitzeperioden bereits in naher Zukunft markant verschärfen wird.[13]

Planende und Bauende können direkt über das Stadtklimatool auf die Planungsgrundlagen zugreifen und erhalten für beliebige Standorte eine Kurzanalyse und Handlungsempfehlungen.

Neben Zürich haben auch andere Städte Klimaanpassungsstrategien oder Konzepte zur Klimaanpassung erarbeitet:

Online-Tool Klimaanpassung

Dieses Online-Tool des BAFU unterstützt Gemeinden bei der Anpassung an den Klimawandel. Es bietet eine Risikoevaluation, zeigt Handlungsempfehlungen und stellt gute Beispiele von Gemeinden vor.

Quellen

1

Gill, S., Handley, J. F., Ennos, R., & Pauleit, S. (2007). Adapting Cities for Climate Change: The Role of the Green Infrastructure. Built Environment, 33, 115–133. doi.org

2

Bundesamt für Umwelt BAFU. (2018). Hitze in Städten: Grundlage für eine klimaangepasste Siedlungsentwicklung (Umwelt-Wissen, Klima, S. 108 Seiten). BAFU.

3

Bundesamt für Umwelt BAFU, Bundesamt für Raumentwicklung ARE, Bundesamt für Energie BFE, & Bundesamt für Bevölkerungsschutz BABS. (2020). Klimawandel in der Schweiz, Indikatoren zu Ursachen, Auswirkungen, Massnahmen.

4

Bundesamt für Umwelt BAFU (Hrsg.). (2012). Anpassung an den Klimawandel in der Schweiz—Erster Teil der Strategie des Bundesrates vom 2. März 2012.

5

Bauer, B. (2010). Biodiversität (1. Aufl.). Haupt Verlag.

6

Diekelmann, P., & Appel, I. (2013). Klimaschutz & Biodiversität—Praxisbeispiele für Kommunen zum Schutz von Klima und Biodiversität (Service- und Kompetenzzentrum: Kommunaler Klimacshutz beim Deutschen Institut für Urbanistik gGmbH (Difu), Hrsg.). repository.difu.de

7

Essl, F., & Rabitsch, W. (Hrsg.). (2013). Biodiversität und Klimawandel. Springer Berlin Heidelberg. doi.org

8

Mathey, J., Rössler, S., Lehmann, I., Bräuer, A., Goldberg, V., Kurbjuhn, C., & Westbeld, A. (2011). Noch wärmer, noch trockener? Stadtnatur und Freiraumstrukturen im Klimawandel: Abschlussbericht zum F+E-Vorhaben (FKZ 3508 821 800) „Noch wärmer, noch trockener? Stadtnatur und Freiraumstrukturen im Klimawandel“. Bundesamt für Naturschutz.

9

Hansen, R., & Born, D. (2018). Grüne Infrastruktur im urbanen Raum: Grundlagen, Planung und Umsetzung in der integrierten Stadtentwicklung: Abschlussbericht zum F+E-Vorhaben „Grüne Infrastruktur im urbanen Raum: Grundlagen, Planung und Umsetzung in der integrierten Stadtentwicklung“. Bundesamt für Naturschutz.

10

Steinrücke, M., Ahlemann, D., & Schrödter, S. (2019). Endbericht zum Klimafolgenanpassungskonzept für die Stadt Herne. herne.de

11

Samimi, C., & Strobel, B. E. (2003). Das Stadtklima von Erlangen unter Berücksichtigung kleinräumiger stadtklimatischer Strukturen. 50/51(04), 147–178.

12

Forum Biodiversität Schweiz. (2021). Biodiversität und Klimawandel. Hotspot, 43.

13

Stadt Zürich. (2020). Fachplanung Hitzeminderung (S. 214). Grün Stadt Zürich.